Wie kam es zur Gründung des Gläsernen Labors?
Ulrich Scheller: Als 1996 der Aufbau des Biotechnologieparks Berlin-Buch auf Hochtouren lief, sollten nicht nur Start-ups Labore und Büros beziehen und marktfähige Biotech-Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Es sollte auch ein Forum für den Dialog zwischen der Öffentlichkeit und der Wissenschaft etabliert werden. Die Gründungsidee des ESF*-Projekts „Gläsernes Labor“ war daher, in einem eigens dafür eingerichteten Labor über biomedizinische Forschungsthemen und –methoden zu informieren. Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, gemeinsam mit den Forschenden vom Campus zu experimentieren. Dazu wurde die denkmalgeschützte Remise auf dem Campus umgebaut und mit Laboren, Seminarräumen und Ausstellungsflächen ausgestattet.
Wie startete das Projekt?
Ulrich Scheller: Die ersten Versuche wurden mit Berliner Biologielehrern und angehenden Biolaboranten des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) erprobt. Am 22. März 1999 hatten wir bereits eine Tageszulassung als Genlabor, obwohl das Gläserne Labor noch Baustelle war. Anlass war, dass wir Drehort für die Sendung „Wissenschaft live“ waren, moderiert von Ranga Yogeshwar und übertragen vom Fernsehsender Phoenix. Eine bessere Einführung kann man sich kaum wünschen! Die offizielle Eröffnung war dann am 19. April. Zu unseren Kursen meldeten sich ausnahmslos Lehrkräfte mit ihren Schulklassen an, so dass sich bereits abzeichnete, dass sie künftig das Hauptpublikum sein würden. Bis Jahresende experimentierten etwa 1.500 Schüler in den vierstündigen Laborkursen „Isolierung der DNA aus einer Tomate“, „DANN-Detektive (Genetischer Fingerabdruck)“und „Leuchtende Bakterien“. Der enorme Bedarf der Berliner Schulen hat dazu geführt, dass aus dem Biotech-Schaulabor eines der besucherstärksten Schülerlabore geworden ist.
Was ist das Besondere am Gläsernen Labor?
Claudia Jacob: Das Gläserne Labor gibt über verschiedene Altersstufen hinweg Impulse für wissenschaftliche Neugier – bereits kleine Kinder profitieren davon im Forschergarten. Pro Jahr experimentieren 14.000 Schüler in Halbtagskursen zu Themen der Genetik, Zell- und Neurobiologie, aber auch der Wirkstoffchemie, Physik, Ökologie. Unsere Mitmachexperimente sind eng auf die aktuelle Forschung auf dem Campus bezogen und vermitteln dadurch Wissen, das noch nicht im Lehrbuch steht. Alle Kurse finden in authentischen Laboren statt und werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betreut. Im Sommer finden Akademien für besonders begabte Schüler statt, die „Forscherferien“ und das „ForscherCamp“ bieten eine sinnvolle Feriengestaltung. Interessierte Schüler können sich auch in Projektwochen zur Systembiologie, bei der Bio- oder Chemieolympiade oder der MINT-Initiative qualifizieren.
Ulrich Scheller: Die Akademie des Gläsernen Labor bietet darüber hinaus Fort- und Weiterbildung für Fachkräfte – auch das ist eine Besonderheit.
Was wurde in den 20 Jahren erreicht?
Ulrich Scheller: Bemerkenswert finde ich, dass sich nach 20 Jahren die Begeisterungsfähigkeit im Zeiss Großplanetarium. Dass wir uns zu einem erfolgreichen Bildungsanbieter entwickelt haben, vor allem auch dank der Förderung von MDC und FMP, erfüllt uns ebenfalls mit Stolz.
Claudia Jacob: Ein Netzwerk aus 20 wissenschaftlichen Dozenten sowie Honorarkräften betreut die knapp 1.000 Kurse pro Jahr. Wir bieten 22 Experimentierkurse zu verschiedenen Themen. Darüber hinaus haben wir vier Sammlungen von Unterrichtsmaterialien für den Biologie- und Chemieunterricht der Sekundarstufe II konzipiert, die Gegenstand von Lehrerfortbildungen sind. Nicht zuletzt ging vom Gläsernes Labor die Gründung regionaler bzw. überregionaler Netzwerke von Schülerlaboren aus; wie dem Netzwerk GenaU Berlin-Brandenburg.
Gab es auch weniger erfolgreiche Momente?
Dr. Ulrich Scheller: Es waren nicht alle Projekte erfolgreich. So platzte 2006 der Traum vom eigenen Life Science Center in Buch. Sogar eine Betreibergesellschaft für das „Forscherschloss“ war gegründet worden. Sie hat damals Sponsoring-Zusagen über sechs Millionen Euro eingeworben und ein professionelles Ausstellungskonzept entwickelt. Leider übertrug sich die eigene Begeisterung nicht auf die der politischen Entscheider. Aber, das muss an dieser Stelle gesagt werden – das Gläserne Labor konnte sich ansonsten immer der Unterstützung aus der Landespolitik sicher sein. Sei es bei den Lehrerabordnungen oder beim Aufbau des Schülerlabornetzwerks GenaU.
Wer gehört zu den Förderern und Unterstützern?
Claudia Jacob: Das Gläserne Labor wurde von Anfang an von den EU-Strukturfonds ESF und EFRE** sowie von den Forschungseinrichtungen des Campus unterstützt. 2004 folgte unser zweites Labor, das MDC-Schülerlabor, welches zu den Helmholtz-Schülerlaboren gehört und 2010 das Chemielabor, dessen Einrichtung und Betrieb vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie getragen wurde und wird. Viele Projekte finanzierte die Technologie Stiftung Berlin (TSB), z. B. die Experimentierwoche „Experimente mit Herz“, die durch einen gemeinsamen Antrag des Netzwerks GenaU mit sechs Laboren und zwei Unternehmen entstand und über viele Jahre von Gesamtmetall, think ING., TSB und der Bayer Science & Education Foundation gefördert wurde und wird. Der Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützt uns seit Jahren bei der Entwicklung neuer Kursmodule; die Promega GmbH mit Verbrauchsmaterialien. In Zusammenarbeit mit der Eckert & Ziegler AG eröffneten wir 2011 ein Physiklabor mit dem Themenschwerpunkt Radioaktivität und ihre medizinische Anwendung. Seit 2013 fördert die Amgen Foundation ausgewählte Bildungsprojekte. Insgesamt verfügen wir heute über fünf Labore.
Wie geht es in Zukunft weiter?
Claudia Jacob: Unser Ziel bleibt, aktuelle und spannende Forschungsthemen in die Unterrichtsinhalte zu integrieren. So entwickeln wir in diesem Jahr eine Lernumgebung zum Thema CRIPSR/Cas9 – mit Unterrichtsmaterialien, Lehrerfortbildungen und einem Experimentierkurs. Zudem wollen wir 2023 im geplanten Bildungs- und Integrationszentrum in Berlin-Buch drei neue Mitmachlabore für den Grundschulbereich eröffnen.
* ESF Europäischer Sozialfonds
**EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
Schlüsselübergabe am 19. April 1999